Nur ein paar Straßen von der Ludwig-Erhard-Schule entfernt geht es durch eine unscheinbare Seitentür in die Ausstellungsräume der Kunsthalle Ludwig. Hier ist es gleich viel ruhiger – genau der richtige Ort für die letzten Vorbereitungen. »Kommende Woche steht das nächste Try Out mit allen Teams im Schauspiel an, sogar die große Bühne wird bespielt.« Kristin hat zu einer kurzen Lagebesprechung auf die Empore gerufen: Heute hat jede:r die letzte Möglichkeit, an der eigenen Präsentation zu feilen. Hakan ist auf jeden Fall noch nicht zufrieden: »Ich muss meinen Rap erst fertig machen.« Kristin überblickt den langen Holztisch zwischen ihnen: »Ja, und wo ist dein Text?« – »Den habe ich in meinem Kopf dabei.«
Für die anderen geht es in der Schreibwerkstatt weiter. Leander sortiert ein Dutzend Zettel mit Geschichten und Erzählaufträgen. Hinter ihm eine weiße Stellwand, mit roten und blauen Klebezetteln bedeckt: »Das sind die Überbleibsel aus der ersten Arbeitsphase – ein brainstorming zu den Begriffen ›Reichtum‹ und ›Freiheit‹.«

Reichtum kann bedeuten …
Gier – Ärger – Kriminalität – Irrtum– Probleme zu haben – Beliebtheit – Einsamkeit – viele Unternehmen zu haben – glücklich zu sein – Macht – paranoid zu sein – Zufriedenheit – Feinde – falsche Wege zu gehen – falsche Freunde kennenzulernen – dass man lächelnd aus der Bank geht

Freiheit kann bedeuten …
machen was man will – wenn ich ohne Angst und Zwang ein Leben in Ruhe und Glücklichkeit haben kann, ohne ständig kontrolliert oder manipuliert zu werden – Gemeinschaft – zu sein, wie man sein will – tun zu können, was nicht normal ist – Sicherheit – keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen zu machen – Glück – nicht zielorientiert etwas zu machen– nicht in kulturellen und sozialen Prägungen verstrickt zu sein – spontan zu entscheiden, was man tun kann

»Aber das haben wir schon vor einer ganzen Weile gemacht …« Denise sitzt vor ihrem Text und dreht den Füller zwischen den Fingern: »Mittlerweile haben wir einzelne Schlagworte ausgesucht, mit denen wir gerade weiterarbeiten. Ich muss mir eine gute Geschichte ausdenken.« Amir neben ihr ist fast fertig. »Auf dem Zettel steht immer nur eine kurze Aufgabe, eine Hilfe für den Aufbau. Und jede Erzählung fängt mit dem gleichen ›Ich träume davon wie …‹-Satz an.«

Ich träume davon wie …
zu Kriminalität: negativer Traum über Umfeld / Traum, der Angst thematisiert
Ich träume davon, wie ich in eine Schlägerei gerate und nach ein paar Jahren passiert das wirklich (in der Realität). Ich seh die Faust von meinem Freund mit voller Wucht auf mich zukommen, packe mir dann die Faust, konter dies und werfe ihn auf den Boden. Ich achte darauf, dass man leise wird oder niemanden aus der Familie in der Nähe kennt. In der Zukunft erhoffe ich mir, weniger Schlägereien zu haben, weil man die Gesundheit aufs Spiel setzt.
[Amir]

Ich träume davon wie …
zu Isolation: positiver Beginn, dann Umschwung zu etwas Merkwürdigem
Ich träume davon, wie ich mich mit meinem Idol zu Hause befinde und zu Mittag esse. Wir lachen und freuen uns, sind einfach nur glücklich. Ich spüre wie ich rot werde und vor Verlegenheit wegschauen muss. Ich möchte etwas sagen, als ich bemerke, dass er weg ist. Ich laufe zur Tür und sprinte die Treppe hinunter. Panik steigt in mir auf. Ich renne eine Straße entlang mit Geschäften rechts und links. Die Leipziger. Ich renne weiter bis ich außer Atem bin und anhalten muss. Ich schaue gen Himmel und sehe nichts außer Finsternis. Mauern in allen Richtungen um mich herum.
[Denise]

Unten, im offenen, etwas kahlen Galerieraum ist genug Platz für Phase drei: die Übersetzung der Geschichten in abstraktere Bilder. Die Körper kommen ins Spiel und sollen zuvor erzählte Gefühle und Gedanken auf die Bühne transportieren. Kurze Botschaften und Stichworte werden jetzt choreografisch durchgespielt, Bewegungen rhythmisiert und dann wieder akustisch unterbrochen – denn Hakans Raptext ist fertig. Den wird er in wenigen Tagen auf der Großen Bühne im Schauspielhaus performen …