Neun sehr unterschiedliche Gruppen in einem einzigen Beitrag unterzubringen, war vielleicht doch ein wenig utopisch. Und wer liest sich fünf, sechs Dokumentenseiten bis zum Schluss schon durch? Wir wissen es nicht, diese Seite besitzt keine ausgeklügelte Textanalysesoftware, mit der man feststellen könnte, bis wo genau es wie viele Prozent der Leserschaft schaffen. Sie lesen hier also vollkommen unbeobachtet. Denn wir halten es gern mit dem britischen Dichter Thomas Gray: Ignorance is a bliss. Ja, mitunter schon.

Heute also der zweite Teil, das Tryout selbst. Und weil alles noch lauter wurde und noch schneller vorbei war, als einen Tag zuvor vermutet, diesmal ein anderes Format: Snipplets, Zitate von Zuschauern, Mikro-Beobachtungen zu den jeweiligen Stationen. Manchmal ist es nur ein einziger Satz. Von Gruppen, die im letzten Part nicht vorkamen, und einigen anderen.

hello, Johann-Hinrich-Wichern-Schule Swetoslav a.k.a (Künstlername) Salim richtet den Willkommensgruß ans Publikum. Der beginnt in etwa so:

Hristo: Hallo, guten Tag
Salim: Was geht
Kevin: Was läuft
Shafiq: Salem Aleikum
Göktar: Hallo
Sasho: Servus
Mariyam: Hi
Yara: Schön, dass ihr da seid!
Amely: Herzlich Willkommen
Salim: Herzlich Willkommen zum zweiten Gesamtryout von All Our Futures 2019. So Leute, ich habe mal eine Frage: Warum heißt es überhaupt Tryout?

Die Antwort wird den Zuschauer:innen dann selbstredend auch noch präsentiert.
Publikum, zu verschiedenen Zeiten: Lacht, klatscht, Zwischenapplaus


FREIPLATZ, Kinderschutzbund Mehrere Männer im Publikum: stehen auf, schauen irritiert, setzen sich wieder, werden wieder von ihrem Platz vertrieben.

Darsteller, FREUDE-Schild auf Stirn, setzt sich neben Bruder: Hallo, wie geht’s dir? Mir geht’s super!

Bruder/Publikum: (dreht sich peinlich berührt weg). 


AUF DEM PLATZ, Louise-von-Rothschild-Schule Mehrere Stimmen im Publikum, bewundernd über Kristijans akrobatische Einlagen: Was für ne Ausdauer der hat! 


Über das Unsichtbare, Walter-Kolb-Schule Eine Familie: Was gibt’s denn hier? Was machen die denn da?

(Die Hörstation ist während dieses Gesamt-Tryouts so gut gefüllt, dass leider nicht jede:r dran kommt. Aber die Frauen, Mädchen, Männer und Jungen, die über Kopfhörer Geschichten und Aufzeichnungen lauschen können, sehen recht angetan aus.)


ERNST-REUTER-INSTITUT FÜR ANGEWANDTE ANWANDLUNGEN: FELDFORSCHUNG Mögliche Forschungsmaterialien in dieser Station: Ein Fragebogen, der Zitronen-Test, Kniemessungen, eine Kiste mit und ohne Zucker.

Schülerin zu ihrem Probanden: Haben Sie Lust, erforscht zu werden?
Mann: Erforscht? Immer!


Freiheit nehmen, Ludwig-Erhard-Schule Demonstrations-Performance mit Schildern und Ausrufen: Schau‘ auf meine Eigenheiten!
Sei ein Teamplayer!

Eine Frau im Publikum, lächelt: Kann ich alles unterschreiben!


WIE KANN ICH DIE KATASTROPHE VERHINDERN, WENN ICH SELBST DIE KATASTROPHE BIN?, Gymnasium Riedberg Den mit Abstand längsten Text an diesem Tryout wird der Chor des Gymnasium Riedberg aufführen. So geht er:

CHOR: (Zwei mal leiser, dann laut) NEULICH BEIM EINKAUFEN...

HELENE:   Neulich beim Einkaufen habe ich mir eine Ananas gekauft… im Winter. Ich weiß, dass das nicht gut fürs Klima ist, aber ich war am Freitag bei der Fridays for Future Demo, das kompensiert das, weil da habe ich ja was gutes fürs Klima getan.

ALLE nach und nacheinsteigend: Danach habe ich mir Schokolade gekauft. Die ist nicht gut für meine Gesundheit, aber ich habe ja vorher eine Ananas gekauft, die ist gut für meine Gesundheit, das kompensiert das ja. Danach habe ich mir Austern gekauft. Die schmecken nicht, aber davor habe ich ja Schokolade gekauft, die schmeckt mir, das kompensiert das ja. Dann habe ich noch Orangen gekauft. Die haben sehr wenig Eiweiß, aber davor habe ich Austern gekauft, die haben sehr viel Eiweiß,

CHOR: DAS KOMPENSIERT DAS JA!

Und dann folgen noch viele, viele weitere Strophen und Zwischenrufe, die sich mit den unauflösbaren Widersprüchen, Handeln und Wollen beschäftigen.

Aus dem Publikum derweil: Zwischenapplaus, Gelächter.